GxP- und Temperaturüberwachung in der Cannabis-Industrie
Medizinisches Marihuana hat sich in den USA zu einer boomenden Branche mit einem Jahresumsatz von über 9 Milliarden US-Dollar entwickelt. Patienten suchen vermehrt nach natürlichen Therapien wie beispielsweise mit Cannabis, welches nachweislich zur Verbesserung von Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Krampfanfällen, Appetitlosigkeit im Zusammenhang mit HIV / AIDS, Krebs, Glaukom und Multipler Sklerose beiträgt.
Wie aus der Forschung, Entwicklung und Herstellung von anderen Arzneimitteln bekannt, kann auch Cannabis in seinen vielfältigen Formen Risiken bergen, welche die Produktqualität und die Sicherheit für den Patienten gefährden.
Jedes Unternehmen, das an Anbau, Ernte, Verarbeitung, analytischen Tests, Lagerung, Verpackung, Vertrieb, Grosshandel oder Verkauf von Cannabis beteiligt ist, unterliegt rechtlichen Kontrollen (abhängig vom Produktions- und Exportland) und muss sich wie die übrige Pharmaindustrie an GLP-, GCP-, GMP- und GDP-Praktiken halten. Während landesweite US-Vorschriften fehlen, herrschen in gewissen US-Bundesstaaten Auflagen und in einigen europäischen Staaten strenge Gesetze.
Unter betriebswirtschaftlicher Sicht verringert die Qualitätskontrolle der temperaturempfindlichen Cannabis-Produkte Risiken wie Verzögerungen infolge Produktquarantäne, ungültige Testergebnisse, Nebenwirkungen für den Patienten und daraus resultierende rechtliche Probleme. Offen gesagt: In dieser explodierenden Branche wird Ihr Cannabis-Geschäft längerfristig nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn Ihre Praktiken GxP-konform sind – vom Labor über die Klinik bis zur Verteilung.
Übersicht Bestimmungen
Bestimmungen – USA
Seit März 2019 gelten in 33 US-Bundesstaaten Gesetze, welche die medizinische Verwendung von Cannabis zulassen. In weiteren neun Staaten ist der private Cannabis-Konsum erlaubt. Unter http://www.ncsl.org/research/health/state-medical-marijuana-laws.aspx finden Sie eine umfassende Übersicht der einzelnen Staaten zum legalisierten, medizinischen Cannabis-Konsum.
Jeder Staat definiert mit seinen eigenen Organen das GxP-Regelwerk.
Quellen-Angabe: Nationale Konferenz der staatlichen Gesetzgebungen, März 2019
Bestimmungen – Kanada
Dokumentation ist Pflicht. Gemäß Abschnitt 231 der Cannabis-Verordnungen müssen Lizenznehmer (ausser jene von medizinischen Cannabis-Produkten) Aufzeichnungen führen, aus denen hervorgeht, dass sie die GPP einhalten. Die Lizenznehmer müssen am zugelassenen Standort nachweisen können, dass die durchgeführten Aktivitäten GPP-konform sind.
Bestimmungen – Europa
In Europa fehlt ein einheitliches Gesetz zur Regelung des Cannabis-Konsums. Die strafrechtliche oder administrative Verfolgung von Drogenkonsumdelikten liegt in der Verantwortung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten und nicht bei der Europäischen Union. So hat der Gesetzgeber in Deutschland 2017 die Möglichkeiten zur Verschreibung von medizinischen Cannabis-Produkten durch Änderungen der Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes und anderer Verordnungen erweitert. Diese Produkte müssen jedoch den einschlägigen Anforderungen des Gesetzes über Arznei- und Betäubungsmittel, einschließlich GMP und GDP, entsprechen. Das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) hat daher mit der Einrichtung der Cannabis-Agentur neue Aufgaben übernommen. Diese Agentur soll helfen, die Versorgung mit Cannabis in medizinischer Qualität sicherzustellen.
Da medizinisches Cannabis in ganz Europa als pharmazeutisches Produkt gilt, müssen sämtliche Cannabis-Produkte sowohl im eigenen Land als auch von einer EU-Behörde GMP- und ISO-zertifiziert sein.
Eudralex Vol. 4 – Gute Herstellungspraxis (GMP) für Arzneimittel zu Human- und Veterinärzwecken. Lagerbereiche sind so zu gestalten oder anzupassen, dass gute Lagerbedingungen herrschen. Es sagt aus:
Lagerbereiche sollen insbesondere sauber, trocken und innerhalb akzeptabler Temperaturbereiche gehalten werden. Sind besondere Lagerungsbedingungen erforderlich (z.B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit), sollen diese bereitgestellt, kontrolliert und überwacht werden.
Kann ich auditiert werden?
In Kanada ja, zu 100 %. 2017 erfolgten drei Rückrufe von medizinischem Cannabis im Zusammenhang mit der nicht genehmigten Verwendung von PCP. Basierend auf den Verordnungen zu medizinischem Cannabis begann das kanadische Gesundheitsministerium mit einer Reihe unangemeldeter Inspektionen und gezielter Tests von Cannabis-Produkten bei lizenzierten Herstellern. Dies sollte sicherstellen, dass nur zugelassenes PCP bei der Produktion von Cannabis verwendet wird. Noch im selben Jahr verkündete das kanadische Gesundheitsministerium, dass zwingend alle Cannabis-Produkte auf Pestizide untersucht werden müssen, bevor die Produkte verkauft oder an Einzelpersonen geliefert werden können.
Was ist GxP?
GxP ist der Oberbegriff für GLP, GCP, GMP und GDP. Das bedeutet:
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GLP (gute Laborpraktiken)
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GCP (gute klinische Praktiken)
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GMP (gute Herstellungspraktiken)
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GDP (gute Verteilungspraktiken)
Diese und noch mehr Standards werden von Aufsichtsbehörden konzipiert, um Qualität und Lizenzierung rund um Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln und Arzneimitteln zu kontrollieren. Jedes Land hat seinen eigenen Satz an GxP-Richtlinien. Daher bemühen sich übergeordnete, globale Organisationen wie die WHO (World Health Organization), die PIC (Pharmaceutical Inspection Convention) und andere um eine Vereinheitlichung nationaler Vorschriften.
GxPs und das Qualitätsmanagementsystem (QMS) eines Unternehmens gehen Hand in Hand. Das QMS als Rückgrat einer Firma soll sicherstellen, dass sämtliche Prozesse und Strategien auf die konsequente Erfüllung der Kundenanforderungen ausgerichtet sind. In der Humanmedizin werden die Kundenanforderungen gleichgesetzt mit Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Arzneimittel. Ein wissenschaftlich fundiertes und gut validiertes QMS hilft einem Unternehmen, die GxP-Richtlinien zu erfüllen.
Nun, was bedeutet dies alles für die Cannabis-Industrie?
GLPs für analytische Cannabis-Laboratorien
Gute Laborpraktiken gewährleisten die Einheitlichkeit, Konsistenz, Zuverlässigkeit, Reproduzierbarkeit, Qualität und Unversehrtheit von Chemikalien, die in einem Labor erstellt oder angepasst und bei Menschen zum Einsatz kommen.
Bevor Cannabis verpackt, etikettiert und verkauft wird, müssen berechtigte Produzenten nachweisen, dass die Pestizidgrenzwerte innerhalb der akzeptablen Limiten liegen. Unabhängige Labors stellen mittels Extraktionstechniken sicher, dass Cannabis-Produkte die zulässigen, offiziellen Grenzwerte für Pestizide nicht überschreiten. Die Liste der zu testenden Pestizide und Chemikalien ist mit meist über 100 Stoffen sehr lang und akzeptable Grenzwerte sind normalerweise sehr niedrig. Pflanzen werden aber nun mal in der Erde angebaut und weisen demzufolge immer Pestizidrückstände auf.
Was ist die Konsequenz? GLP wird zu einem sehr teuren Teil innerhalb des Cannabis-Geschäfts! Ein Test kostet im Durchschnitt $ 1000. Bei Hunderten von unerlaubten Pestiziden summiert sich das schnell.
Unter diesem Link finden Sie beispielsweise eine Liste von Pestiziden und Standards des kanadischen Gesundheitsministeriums.
Daher ist eine ordnungsgemässe Lagerung in Kühlschränken unerlässlich, um den finanziellen Wert des Lagers und der Produkte zu schützen. Darüber hinaus erfordert GxP eine Dokumentation, welche die Temperaturkontrolle im Kühlschrank, während des Laborprozesses und bei der Verteilung an die Verbraucher nachweist.
Viele Labors verwenden für die Überwachung von Kühlschränken oder anderen Geräten immer noch alte Technologien (z. B. Messschreiber), welche die Einhaltung von GLP und die Cannabis-Produkte gefährden können. Manuelle Prozesse zur Überprüfung von Temperaturkurven, das Lagern von Papierinformationen und das Schreiben von Abweichungsberichten unterliegen Bedienungsfehlern durch den Menschen. Erfahren Sie in diesem Dokument, warum Messschreiber nicht die richtige Wahl zum Schutz Ihrer finanziellen Investition sind.
GMPs für Herstellungs- und Verarbeitungsanlagen von Cannabis
Gute Herstellungspraxis – ein System von Verfahren und Dokumentationen für die ordnungsgemässe Gestaltung, Überwachung und Kontrolle von Fertigungsprozessen und -einrichtungen – stellt die definierten Eigenschaften wie Identität, Stärke, Qualität und Reinheit des Produkts sicher.
GMPs umfassen alle Aspekte der Produktionsprozesse, des Personals und der Einrichtungen:
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Materialien
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Räumlichkeiten
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Ausrüstung
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Lager
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Aufzeichnungen
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Mitarbeiterschulung
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Hygiene
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Umgang mit Beschwerden
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Produktentwicklung
Gemäss GMPs müssen sämtliche Räumlichkeiten sowohl für die Lagerung als auch für die Verarbeitung der Materialien und Produkte auf Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Licht kontrolliert werden. So dürfen die Produkte im Winter weder einfrieren, noch im Sommer zu heiss bekommen. Die Räumlichkeiten müssen demzufolge einem Temperatur-Mapping unterzogen werden, um die extremen Kalt- und Warmbereiche zu lokalisieren und eine Temperaturüberwachungslösung ableiten zu können. Im diesem Dokument erfahren Sie mehr über das GxP-Mapping von Einrichtungen.
Laut GMPs müssen neue Anlagen immer einem Mapping unterzogen werden. Ein Re-Mapping erfordern beispielsweise Modifikationen bei der Raumlufttechnik, wesentliche Änderungen im Lagerlayout, Erweiterungen der Räumlichkeiten und manchmal auch neue Produktlinien.
Keith Konya, Senior Manager von Facilities Express Scripts / CuraScript, hat dank dem Mapping-Prozess viel gelernt.
«Wir haben drei Hot Spots identifiziert, verursacht durch Heizungen, die direkt auf Palettenplätze gerichtet waren. Die Heizungen wurden neu positioniert und bestimmte Palettenpositionen wurden nicht mehr verwendet.»
Keith Konya (Sr. Manager of Facilities Express Scripts / CuraScript)
GDPs für Cannabis-Beschaffung und -Verteilung
Good Distribution Practices (GDPs) umfassen Qualitätsverfahren und Standardvorgehensweisen (SOPs), die eine konsistente Lagerung, Beförderung und Handhabung temperaturempfindlicher Produkte in der gesamten Lieferkette gewährleisten. Ihre Transportpartner müssen also auch dann die Anforderungen an die Produktqualitätskontrolle erfüllen, wenn die Produkte Ihren Standort verlassen haben.
GDPs beinhalten:
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Qualifizierung und Validierung von Einrichtungen, Systemen und Partnern
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Abweichungen und Änderungen
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Verantwortliche Personen
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Dokumentation und Aufzeichnungen
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Warenlager – Mapping und Überwachung
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Transportqualifikation
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Ausgelagerte Aktivitäten
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Reklamationen, Rücksendungen
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Fälschungen und Rückrufe
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Selbstprüfung
Im obigen Abschnitt über GMPs haben wir das Mapping und die Qualifizierung von Einrichtungen diskutiert. Was ist nun, wenn das Produkt unterwegs ist? Wie überwachen Sie die Temperaturen entlang des fragmentierten Transportwegs? Monitoringlösungen für die Kühlkette wie USB-Datenlogger, Temperaturindikatoren und andere Technologien geben Ihnen die Sicherheit, dass die Qualität Ihrer Produkte nach der Herstellung und während der ganzen Lieferkette überwacht wird.
Eine kostenlose Broschüre zum Navigieren in den GDP-Richtlinien finden Sie hier oder lesen Sie den Blog über «Gute Vertriebspraktiken (GDP's) – Nichts für Weicheier!»
Wo beginnen wir?
Jede Umgebung ist ein bisschen anders. In Laboratorien müssen Sie Ihre Kühlschränke, Gefriergeräte (falls vorhanden) und Kühlräume beurteilen. Für Ihre Vertriebsaktivitäten (GDP) bewerten Sie Ihre aktuellen Lagereinrichtungen, Transportfahrzeuge und Versandboxen.
Nehmen wir das Beispiel von GMP für die Herstellung und Verarbeitung. Zunächst richten Sie einen Business Case für die Implementierung von GMPs ein:
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Bewerten Sie Ihre aktuelle Infrastruktur und Ausrüstung
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Involvieren Sie verschiedene Abteilungen (Qualität, IT, Finanzen)
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Quantifizieren Sie den finanziellen Verlust, falls etwas schiefgehen würde
Nachdem Sie im Business Case die Gründe für die Relevanz von GMPs für Ihr Unternehmen eruiert haben, definieren Sie:
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URS (Benutzeranforderungen)
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Massstabgetreues Layout samt allen Einrichtungen
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Projektleiter für die Koordination zwischen mehreren Abteilungen
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Wenden Sie sich an Ihren Händler für Laborausstattung (z.B. VWR)
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Wenden Sie sich direkt an den Anbieter
Zur Überwachung der Umgebungsbedingungen Ihrer Produkte in Kühlschränken oder zur Verwendung eines zentralen Monitoring Systems stehen viele verschiedene Arten von Überwachungslösungen zur Verfügung, wie z.B.:
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Verkabelt oder drahtlos?
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Dediziertes Netzwerk oder Wi-Fi?
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Cloud oder lokales Hosting?
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Lokale Alarmierung oder Fernalarmierung?
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Welche Art von Alarmen?
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Fernzugriff?
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Zentralisierung für mehrere Standorte / Gebäude (weltweit)?
Andere spezifische Bedürfnisse: Notieren Sie Ihre Muss-, Soll- und Kann-Kriterien und lassen Sie Platz für Ihre Kommentare.
ALLE Systeme sind benutzerfreundlich! Was bedeutet das für Sie?
Wenn Sie Hilfe bei der auf Ihrem Qualitätsmanagementsystem basierenden Bewertung Ihrer Anlagen, Abläufe und Prozesse benötigen, wenden Sie sich an ELPRO – das GxP-Expertenteam mit Validierungsingenieuren unterstützt Sie gerne.
Fazit
Klingt nach viel Arbeit, Kopfschmerzen und Ressourcen!?
Ja, dem ist so. Unternehmen, die sich aber von Anfang an Zeit für die Implementierung von GxPs nehmen, haben einen erheblichen Vorteil gegenüber jenen, die später versuchen, ihre Prozesse und Standardabläufe (SOPs) umzurüsten. Wenn dereinst die staatlichen und nationalen Anforderungen strenger werden, wird Ihr Unternehmen gewappnet sein. Sie brauchen weder Produktrückrufe, Probleme mit der Produktqualität, noch rechtliche Schritte zu befürchten.
GxPs tragen auch dazu bei, das Ansehen Ihres Unternehmens und die Qualität Ihrer Marke in dieser stark wachsenden und konkurrierenden Branche aufzubauen.
Mit GMP Cannabis sind Sie für die Zukunft gerüstet. Die ersten Anwender der entsprechenden pharmazeutischen Praktiken werden der Regulierungskurve voraus und für den Erfolg am Markt bestens aufgestellt sein.
Quellennachweise:
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Health Canada Regulations, Cannabis Regulations: SOR/2018-144
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National Conference of State Legislatures, State Medical Marijuana Laws; March 5, 2019
Um mehr über dieses Thema zu erfahren, schauen Sie sich auch unser kostenloses Webinar 5 wichtige Gründe für die Einführung von GMPs zur Überwachung der Umgebungsbedingungen von Cannabis an.
Über den Autor
Seit 13 Jahren unterstützt Benoît (Ben) Chedhomme hauptsächlich Life Science-Unternehmen dabei, ihre temperaturempfindlichen Produkte in der Kühlkette zu schützen. Seine Hauptkompetenzen liegen in der Validierung von Räumlichkeiten oder Geräten und in der Temperaturüberwachung für Lagerung und Transport. Benoît führt auch zahlreiche Compliance-Bewertungsprojekte für pharmazeutische Unternehmen durch und evaluiert verschiedene Optionen, die zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften umgesetzt werden können. Bei seiner langjährigen Tätigkeit im Verpackungsmarkt unterstützte Benoît viele Kunden in ihrem Qualifizierungsprozess. Derzeit ist Benoît ELPRO Gebietsmanager für Kanada und beliefert Laboratorien mit stand-alone Equipment, realisiert aber auch multinationale Projekte von der Überwachung der Kühlkette, über das Temperatur-Mapping bis zu Monitoring Systemen für Gebäude.
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