Risikobasierte Logistik für End-to-End-Visibilität in der Lieferkette
Leading Minds Network Podiumsdiskussion:
Die folgende Zusammenfassung stammt aus einer Podiumsdiskussion, veranstaltet von ELPRO Leading Minds Network im Rahmen der Temperature Control TuesdaysTM-Reihe, in Zusammenarbeit mit Cold Chain Platform und PCI Pharma Services. An der Podiumsdiskussion nahmen teil: Henry Moran, ASC Associates Ltd. (Moderator), Emanuel Schäpper, ELPRO, Iris Sioson, Envirotainer, Michael Lopez, Medytox und Stefan Braun, SmartCAE.
Die Zusammenfassung bietet Antworten auf die folgenden Fragen, die den Diskussionsteilnehmern gestellt wurden:
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Wie lässt sich eine durchgängige Lieferkettentransparenz (End-to-End) in der temperaturgeführten Logistik erreichen?
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Wie lässt sich die Datenintegrität Auditoren gegenüber sicherstellen und nachweisen, wenn Temperaturdaten aus vielen Quellen und unterschiedlichen Systemen zusammengeführt werden?
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Wie lassen sich Verbesserungspotenziale in der Lieferkette anhand von Temperaturüberwachungsdaten zu den Umgebungsbedingungen beim Transport analysieren und erkennen?
Konventionelle Überwachung, Real-Time-Technologie oder eine Kombination aus beidem – Wie erreicht man eine durchgängige Lieferkettentransparenz in der temperaturgeführten Logistik?
End-to-End-Lieferkettentransparenz bedeutet, dass die an der Lieferkette Beteiligten Einblick in den gesamten Prozess der Kundenbelieferung haben, von der Beschaffung von Teilen oder Rohstoffen bis zur Weiterleitung dieser Materialien an die Fertigung und schliesslich zu den Kunden. Die Podiumsteilnehmer sind sich über die Vorteile der Real-Time-Überwachung für die Lieferkettentransparenz im Klaren. Für sich allein genommen führt dies jedoch noch nicht zum Erfolg. Warum?
Beim Thema Transparenz sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:
- Für die logistische Transparenz sind Sofortdaten erforderlich, aber auch Kontrollpunkte (Control Towers), um auf mögliche Abweichungen reagieren zu können;
- Für die Stabilitätstransparenz sind hochgradig sichere Daten erforderlich, die durchaus auch rückblickend sein können, um eine Sendung letztendlich als „gut“ freizugeben.
Die Stabilitätstransparenz kann von Unternehmen durchaus mit herkömmlichen Temperaturüberwachungslösungen erreicht werden. Es ist möglich, Daten zu sammeln, sie zusammenzuführen, Transparenz über Teile der Lieferkette, Abschnitte oder die gesamte Lieferkette zu gewinnen und die gesamte Datensammlung anhand von Profilen auszuwerten. Dies ist bisher jedoch immer rückblickend geschehen und daher für die logistische Transparenz unzureichend. Deshalb steht eine Real-Time-Überwachung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und sogar des Standorts schon seit Jahren auf der Wunschliste der Logistikbranche.
Allerdings sind noch viele technische Lücken und Probleme zu überwinden. Zum Beispiel gibt es in bestimmten Bereichen Probleme mit der drahtlosen Anbindung der Hardware an Zentralstation/Server. Alle in die Lieferkette eingebundenen Partner müssen sich zusammensetzen und die Frage stellen, wie sie diese logistischen Herausforderungen bewältigen können. Dabei kann es nicht um eine Insellösung gehen.
Und das rückt eine weitere Herausforderung in den Vordergrund: die Zusammenarbeit. Transparenz entsteht nur, wenn die an der Lieferkette Beteiligten zusammenarbeiten und sich gegenseitig in ihre Prozesse einbeziehen, Daten austauschen und sicherstellen, dass die Informationen für alle Beteiligten transparent sind. Die gemeinsame Nutzung von Echtzeitdaten ist jedoch noch keineswegs für jeden eine Selbstverständlichkeit. Der Einblick in diese Echtzeitdaten wird häufig dadurch eingeschränkt, dass Temperaturberichte erst nach der Lieferung verschickt werden, also als retrospektive Lösung.
Zusammenarbeit und Transparenz seitens der Beteiligten sind der Schlüssel zur vollen Transparenz.
Iris Sioson, Envirotainer
Eine Real-Time-Überwachung ist ein echter Mehrwert, wenn darüber hinaus eine angemessene Basisplanung erfolgt ist, Szenarien durchgespielt wurden, potenzielle Risiken identifiziert und Pläne zur Risikominderung erstellt wurden. Dann ist die Real-Time-Überwachung der endgültige Schutz. Und sie kann in ungeplanten Fällen sehr wertvoll sein.
Wenn die Basisplanung zu 98 % kugelsicher ist, dann kann die Real-Time-Überwachung die verbleibenden 2 %, die in der realen Welt durchaus auftreten können, abdecken.
Stefan Braun, SmartCAE
Konforme Dokumentation von Daten oder Digitalisierung für eine effiziente Wiederverwendung und gemeinsame Nutzung – Wie lässt sich Datenintegrität Auditoren gegenüber sicherstellen und nachweisen, wenn Temperaturdaten aus vielen Quellen und unterschiedlichen Systemen zusammengeführt werden?
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Daten vorschriftsmässig und sicher zu dokumentieren, um für künftige Audits bestens gerüstet zu sein, und dieselben Daten für ihre eigene Weiterverwendung und die gemeinsame Nutzung innerhalb der Lieferkette zu digitalisieren.
Für alle Daten, die für die Neubewertung und Freigabe von Produkten verwendet werden, gilt: Sie dürfen nicht angetastet werden. Deshalb werden diese Daten in einem Datenpaket gespeichert und vorschriftsmässig archiviert. Auditoren wünschen sich einen unveränderlichen "Schnappschuss" der Daten oder einen von einem Qualitätsbeauftragten abgezeichneten Nachweis, einen Datumsstempel mit Unterschrift zur Authentifizierung der Daten und eine gewisse Rückverfolgbarkeit zu einer zweiten Person oder einem Verifizierungsschritt. PDF-Dateien sind ein bewährtes und sicheres Datenpaket, das alle diese Anforderungen erfüllt.
Viele digitale Daten und digitale Formate wirken auf Prüfer [immer noch] wie ein Warnsignal, dass Änderungen vorgenommen werden könnten und sie diese Änderungen möglicherweise nicht erfassen können..
Michael Lopez, Medytox
Um jedoch mit diesen Daten weiterarbeiten zu können, um sie transparent und anderen Beteiligten der Lieferkette zugänglich zu machen, müssen die Daten digitalisiert werden. Und da immer mehr digitale, drahtlose Daten eingehen, müssen die Unternehmen einen effizienten Weg finden, um nachzuweisen, dass diese Daten nicht verfälscht wurden, und um all diese Daten in verifizierbare echte Aufzeichnungen oder rückverfolgbare Daten umzuwandeln (im Schritt der 2-Personen-Verifizierung, d.h. nach dem Vieraugenprinzip).
Wir müssen sicherstellen, dass diese Daten nicht manipuliert wurden, da genau das von unseren Prüfern verlangt wird.
Iris Sioson, Envirotainer
Was die Integrität der gemeinsamen Datennutzung angeht, so sollten die an der Lieferkette Beteiligten genau wissen, wann sie ihre Daten wirklich unter Verschluss halten sollten und wann sie die Daten zur Verarbeitung durch Dritte freigeben wollen.
Eine bereits bestehende Lösung sind PDFs mit eingebetteten digitalen Daten, die sich leicht extrahieren lassen. Die Unternehmen können mit den digitalen Daten weiterarbeiten und haben aber immer auch das unveränderliche Original zur Hand. Dabei tritt jedoch das Problem auf, dass die verschiedenen Anbieter dies völlig unterschiedlich handhaben. Man kann sich also nicht auf ein garantiertes System verlassen. Auch in diesem Kontext ist für die Zukunft eine enge Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten erforderlich, ebenso wie die Festlegung von Standards, um diese Systeme validieren zu können.
Externe Datenlogger, Real-Time-Technologie und Simulationen – Wie lassen sich Verbesserungspotenziale in der Lieferkette anhand von Temperaturüberwachungsdaten zu den Umgebungsbedingungen beim Transport analysieren und erkennen?
Neben den Temperaturdaten können Daten zu weiteren Umgebungsbedingungen den Unterschied bei der Überwachung ausmachen. Wurde eine Tür geöffnet? Und wenn ja, warum? Wie lässt sich dies in Zukunft vermeiden? Ist der Lkw-Fahrer von der Produktionsstätte direkt zum Terminal der Fluggesellschaft oder zunächst zu deren Lager gefahren, um den Container zu lagern? Falls dies der Fall war, könnte das beim nächsten Mal vermieden werden, indem man es gleich bei der Bestellung festlegt?
Diese neuen Umgebungsdaten, die in Räumen und Sendungen gesammelt werden, können zur Durchführung virtueller Simulationen eingesetzt werden. Früher wurden Daten gesammelt, dokumentiert und archiviert. Erst später wurde erkannt, wie wertvoll diese Daten waren, um mit Hilfe von Analyse- und Berichtswerkzeugen, Dashboards usw. Korrekturmassnahmen und Verbesserungspotenziale zu ermitteln.
Diese retrospektiven Daten werden nun durch Echtzeitdaten ergänzt. Durch eine Zusammenfassung der beiden Datentypen und mittels Simulationen lassen sich enorme Erkenntnisse gewinnen, um beispielsweise die Verpackungskosten zu minimieren. Auch die Anpassung der verschiedene Service-Levels kann verbessert werden, wenn festgestellt wird, dass die Lieferkette über- oder unterdimensioniert ist.
Der Zugang zu Echtzeitdaten bietet eine Reihe von Chancen:
- Möglichkeit des Eingreifens
- Risikoplanung im Voraus
- (3) Analyse und Planung zur Verbesserung künftiger Sendungen
In einigen Fällen kann der Verlust einer Lieferung Pharmaunternehmen Millionen von Dollar kosten. Tritt bei einer Lieferung eine bestimmte Situation ein, können Unternehmen anhand von Daten aus früheren Lieferungen eine Vorhersage ableiten, wie dieses Event ausgehen könnte. Mit Hilfe dieser Analysen kann schneller entschieden werden, welche Massnahmen zu ergreifen sind, um die Sendung zu retten oder sie im schlimmsten Fall durch eine neue zu ersetzen..
Letztendlich geht es darum, die Lieferkette robuster zu machen.
Stefan Braun, SmartCAE
Die Datenerfassung mittels Datenlogger endet oft mit der Übergabe des Produkts an die Apotheke oder das Krankenhaus. Hersteller sind aber auch danach daran interessiert, dass das Produkt auch auf der sogenannten letzten Meile (last mile) geschützt ist. Dies ist eine echte Herausforderung! Hier muss noch viel bessere Arbeit geleistet werden, beispielsweise indem Schwachstellen vor Ort identifiziert, Schulungen verbessert und Informationen ausgetauscht werden und bei Bedarf Unterstützung geleistet wird.
Wir sprechen hier von einer vollständig transparenten digitalen Lieferkette, die dabei helfen kann, zu erkennen, wo die Lieferkette durch einfache Änderungen möglicherweise dramatisch verbessert werden kann.
Stefan Braun, SmartCAE
Ausblick in die Zukunft
Hinsichtlich der Realisierung eines intelligenten Pharma-Liefersystems und der Transparenz des gesamten Produktflusses von der Herstellung über das Lager und das Distributionszentrum bis hin zu den Gesundheitseinrichtungen ist ausschlaggebend, wie mit den Daten umgegangen wird - technisch und aus menschlicher Sicht.
Sicherlich müssen technische Lösungen gefunden werden. Das mobile IoT wird sich ausbreiten. Es wird in immer mehr Ländern verfügbar sein und Chancen sowohl für die Transportüberwachung als auch für die Vorort-Überwachung bieten. Wie immer die technischen Möglichkeiten auch aussehen mögen, letztendlich müssen Menschen ihre Daten mit anderen Menschen teilen wollen. Andernfalls werden all diese Daten nur gesammelt und landen irgendwo, wo ihr wahrer Wert nie ausgeschöpft werden kann. Dazu ist eine Zusammenarbeit über alle Bereiche hinweg erforderlich..
Wahrscheinlich ist nicht die Technologie das Problem, sondern der Wille zur Zusammenarbeit.
Stefan Braun, SmartCAE
Die an der Lieferkette Beteiligten müssen sicherstellen, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um all diese Technologien und die daraus resultierenden Daten auch wirklich nutzen zu können. Wie können diese Leute geschult werden? Wie können wir die Technologie nutzen, um das Wissensmanagement zu verbessern und die Kosten zu senken? Wie müssen wir die Prozesse und das Risikomanagement verbessern? Werden wir über ein qualifiziertes Team verfügen, das das Wissensmanagement verinnerlicht hat und sinnvoll einsetzt, um den verschiedenen Beteiligten in der Lieferkette zu helfen? Wie können die verschiedenen Beteiligten zusammenarbeiten, um die Daten zusammenzuführen und die Datenintegrität zu gewährleisten? Welche Ängste müssen überwunden werden, um die gemeinsame Nutzung von Daten Wirklichkeit werden zu lassen?
Nur auf der Grundlage dieser veränderten Haltung wird der Wunschzettel der Branche für die Zukunft realisierbar sein: zwischen allen Beteiligten integrierte Systeme..
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