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Produktintegrität gewährleisten in globalen Lieferketten

Transport & Logistik

Leading Minds Network Poduimsdiskussion:
Produktintegrität gewährleisten in globalen Lieferketten


Die folgende Zusammenfassung stammt aus einer Podiumsdiskussion, veranstaltet von ELPRO Leading Minds Network im Rahmen der Temperature Control TuesdaysTM-Reihe, in Zusammenarbeit mit Cold Chain Platform und PCI Pharma Services. An der Podiumsdiskussion nahmen teil: Henry Moran, ASC Associates Ltd. (moderator), Peter Knapp, Maersk, Brett Marshall, Zuellig Pharma und Anthony Yan, Takeda Pharma. 

 

Die Zusammenfassung bietet Antworten auf die folgenden Fragen, die den Diskussionsteilnehmern gestellt wurden:

  • Welche Risiken sehen Sie derzeit in der globalen Lieferkette im Hinblick auf die Produktintegrität?
  • Welche Zukunftstrends sehen Sie bei der Versorgung von Patienten mit Produkten?
  • Wie werden die Massnahmen zur Produktintegrität von den regulatorischen Vorgaben beeinflusst?
  • Wie kann die Produktintegrität durch Echtzeittechnologie gewährleistet werden?
  • Wie wirken sich die Kosten auf die Strategien zum Produktschutz aus?
  • Wie lässt sich eine im Hinblick auf die Produktintegrität risikoarme globale Lieferkette entwickeln?

 

Unzuverlässiges Temperaturmanagement, Produktfälschungen und der Faktor Mensch - Welche Bedrohungen für die Produktintegrität bestehen innerhalb der globalen Lieferkette?

In den immer globaler werdenden Lieferketten stellt ein zuverlässiges Temperaturmanagement nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer die grösste Herausforderung dar. Die Gewährleistung einer kontinuierlichen und stabilen Temperatur sowie einer sicheren und einheitlichen Umgebung beim Transport ist für die Produktintegrität entscheidend. Vor allem an regionalen oder kleineren internationalen Flughäfen besteht das Risiko, dass eine angemessene Infrastruktur, Kühlräume, luftseitige Lagereinrichtungen, Verpackungssysteme (sowohl aktive als auch passive) und ein angemessener Transport der Produkte zwischen den Lagereinrichtungen nicht gewährleistet sind. Bei Seefracht ist der Container ein sehr sicheres Mittel bezüglich der Temperaturkonstanz, und die grossen Seefrachtterminals legen besonderen Wert auf die Verkürzung der Zeiten ohne Stromzufuhr. Dagegen muss bei mittleren und kleinen Terminals vor allem in weniger entwickelten Teilen der Welt eine sehr genaue Überwachung erfolgen. Nach Meinung der Diskussionsteilnehmer können Risiken wirksam vermieden werden, wenn es möglich ist, auf Alarme innerhalb von fünf, zehn oder 15 Minuten zu reagieren.

Die Lieferketten in der Pharmaindustrie sind viel globaler geworden [...] und gleichzeitig werden die Produkte viel empfindlicher für Temperatur- und Umgebungsveränderungen. Unter dem Gesichtspunkt der Produktintegrität ist somit eine der grössten Herausforderung, die Temperatur während des Transports konstant und stabil zu halten.

Peter Knapp, Maersk

Der Faktor Mensch, d.h. das Wissen und die Erfahrung beim Umgang mit Verpackungssystemen, ist ein weiterer entscheidender, aber auch kritischer Faktor. In diesem Bereich müssen Prozesse eingerichtet und die Mitarbeiter angemessen geschult und ausgebildet sein. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Produkte und Verpackungssysteme mit dem nötigen Respekt vor der Fragilität des Produkts transportiert werden.

Produktfälschungen sind nach wie vor ein grosses Risiko, vor allem bei lebensrettenden Medikamenten für Entwicklungsländer. Dort ist der Zugang zu Arzneimitteln nach wie vor problematisch, was ein guter Nährboden für Produktfälscher ist.

In der Nutzung virtueller Kühlketten sehen die Diskussionsteilnehmer dagegen eine grosse Chance. Die Durchführung von Simulationen über die Transportstrecken hinweg und die Ermittlung von Risikobereichen ist äusserst wichtig und kann bestehende Risiken aufzeigen. Fluggesellschaften, Hersteller und Verpackungshersteller nutzen Simulationen bereits in zunehmendem Masse. Die Hersteller legen jedoch weiterhin Wert auf eine physische Validierung. Sie akzeptieren keine Simulationsdaten zum Zweck der Lieferantenqualifizierung. Eine Kombination aus Simulation und realen Tests mit Dummys würde hier derzeit als Königsweg gelten.

 

Wie werden ATMP die Versorgung der Patienten mit Produkten und die Zusammenarbeit zwischen konkurrierenden Teilnehmern der Lieferkette verändern?

Das Wachstum im Bereich der Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) stellt einen wichtigen Trend dar. Die patientenspezifischen Medikamente machen eine Cell-to-Cell-Lieferkette erforderlich, die auf hochgradig integrierten Technologielösungen, digitalen Lösungen zur Unterstützung der Temperaturintegrität und Anforderungen an die Überwachungskette (Chain of Custody) für die Handhabung dieser Produkte beruht.

Es geht nicht um den Temperaturaspekt allein, sondern auch um ein sehr hohes Mass an Integrität in der Überwachungskette.

Brett Marshall, Zuellig Pharma

Ein daraus resultierender Trend, so die Diskussionsteilnehmer, wird die zukünftig stärkere Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern der Lieferkette sein. Selbst in einem hart umkämpften Markt ist dies die einzige Möglichkeit, das benötigte Wissen über die Lieferkette von Anfang bis Ende aufzubauen. Auf diese Weise können Innovationen entstehen und es können bessere Dienstleistungen angeboten werden.

Die Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und der integrierten Lieferkette ist auch deshalb notwendig, weil die Handhabung von Ultra-Tieftemperaturprodukten neben einer optimalen Verpackungslösung auch eine hohe Transportgeschwindigkeit erforderlich macht. Weiterentwicklungen im Bereich der Verpackungslösungen und bei der Transportgeschwindigkeit sind somit das beste Mittel zur Risikoprävention. Verpackungslösungen, die ultra-tiefe Temperaturen bis zu 48 Stunden lang halten können, gibt es bereits. Darüber hinaus wird eine extrem gut vernetzte Lieferkette dazu beitragen, die Transportgeschwindigkeit weiter zu steigern.

 

Welchen Einfluss haben regulatorische Vorschriften auf die Qualität der Produkte und wie können wir von besserer Zusammenarbeit und Standardisierung profitieren??

Die Diskussionsteilnehmer haben festgestellt, dass globale regulatorische Organisationen ihren Einfluss ausbauen, um die Produktqualität zu sichern. Viele Richtlinien in Bereichen wie gute Herstellungsprozesse, Qualitätsrisikomanagement und pharmazeutische Qualitätssysteme werden in lokale GMP- und GDP-Vorschriften eingebettet. Dies wird sich auf alle Beteiligten auswirken, unabhängig davon, ob sie Teil der internationalen oder der lokalen Lieferkette sind.

Für den Schutz der Produktintegrität und die Bekämpfung von Produktfälschungen ist die Unterstützung durch die Behörden ein äusserst wichtiger Faktor. Zur Verbesserung der Produktintegrität und -sicherheit muss eine starke staatliche Unterstützung bestehen oder es müssen klare Vorschriften, strenge Prüfungen und wirksame Durchsetzungsmassnahmen umgesetzt sein. Angesichts globaler Lieferketten sehen die Podiumsteilnehmer jedoch ganz klar die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen den Marktteilnehmern und den Regulierungsbehörden zu verbessern und die Koordination zwischen den nationalen Behörden zu optimieren.

Zusammenarbeit ist der Schlüssel.

Peter Knapp, Maersk

Die Branche sollte sich weiterhin bei den Regulierungsbehörden Gehör verschaffen. In einigen Märkten hat es sich bereits bewährt, dass die Regulierungsbehörden Kommentare aus der Branche einholen und konstruktives Feedback erhalten. Leider ist dies noch die Ausnahme.

Da rund 180 Regierungen weltweit versuchen, Einfluss auf die Vorschriften zu nehmen, sehen die Diskussionsteilnehmer die Notwendigkeit, dass ein stärker global ausgerichteter Ansatz benötigt wird. Sie fordern ein höheres Mass an Standardisierung auf allen Kontinenten und in allen Lieferketten. Denn der Mangel an Synchronisation führt naturgemäss zu Abweichungen.

 

Wie kann die Produktintegrität durch Echtzeittechnologie gewährleistet werden?

Die Echtzeittechnologie ermöglicht es den an der Lieferkette Beteiligten vorbeugend einzugreifen, wenn Unregelmässigkeiten bei Temperaturdaten festgestellt werden. Häufig können dies die Beteiligten tun, noch bevor eine Abweichung auftritt. Von besonderer Bedeutung ist dies bei der wachsenden Zahl biologischer Produkte, bei denen extrem strenge Stabilitätsbudgets eingehalten werden müssen.

Pharmaunternehmen und ihre Vertriebspartner suchen nach effizienteren Möglichkeiten, die Temperaturkurven ihrer Produkte online einzusehen, um jederzeit den Überblick über den Status der Produkte zu behalten. Bei dieser Prozesstransparenz geht es um die Kontrolle von Temperaturabweichungen und Temperaturkonsistenz. Dies ist wichtig, um verlässliche Aussagen über die Haltbarkeit eines Produkts machen zu können – selbst auf den letzten Kilometern zum Patienten. In Kombination mit der Blockchain-Technologie kann die Echtzeit-Überwachungstechnologie in Zukunft Produktverluste verhindern, die Verfolgbarkeit bis zum Patienten verbessern und allen Beteiligten Transparenz und Sichtbarkeit bieten.

Die Blockchain-Technologie und die Echtzeittechnologie können zur Produktintegrität beitragen und darüber hinaus auch die Sicherheit erhöhen.
Anthony Yan, Takeda Pharma

Allerdings sind einige technische Herausforderungen zu bewältigen. Insbesondere das kürzere Messintervall von fünf Minuten stellt hohe Anforderungen an die Batterien – sie müssen klein sein, aber dennoch leistungsfähig genug für eine Verarbeitung der anfallenden Datenmenge. Vor allem auf den letzten Kilometern, der Last Mile, die wahrscheinlich am meisten von der Echtzeitüberwachung profitiert, gibt es oft Probleme mit der lokalen Kommunikationsinfrastruktur, die zu Lücken in der Signalintegrität führen.

 

Haben die Kosten einen Einfluss auf die Produktschutzstrategien??

Im Hinblick auf die Kosten sind sich alle Diskussionsteilnehmer einig, dass es keine Kompromisse bei der Qualität, der Gerätetechnologie oder der Digitalisierung geben darf. Auch wenn der ROI wichtig ist, muss aus Sicht des Produktschutzes die Patientensicherheit immer an erster Stelle stehen. Grössenvorteile und strategisches Kostenmanagement können jedoch durchaus zu Kostenvorteilen führen.

Der Kostenvorteile zwischen dem Transport von 10 oder 10.000 Behältern ist natürlich enorm. Gleichzeitig sollten die Unternehmen über ein strategisches Kostenmanagement nachdenken. Sie sollten zum Beispiel in verschiedene Verpackungssysteme und Infrastrukturen investieren und dabei ein Over-Engineering möglichst vermeiden. Möglicherweise zahlt sich diese Strategie nicht sofort aus, aber vielleicht in drei bis vier Jahren.

Wir müssen bei unseren Entscheidungen bezüglich Temperaturkontrolle, Verpackungslösungen, Transportlösungen und Produktschutzlösungen pragmatisch sein.
Henry Moran, ASC Associates

Das Sammeln von Daten (Big Data) kann Unternehmen helfen zu entscheiden, welche Ausgaben für Produktschutzprogramme angemessen sind und wo erhebliche Kosteneinsparungen realisierbar sind. Auch virtuelle Simulationen und digitale Zwillinge können in diesem Zusammenhang hilfreich sein.

 

Wird es möglich sein, eine bezüglich der Produktintegrität risikoarme globale Lieferkette zu entwickeln?

Innerhalb der Lieferkette müssen die Unternehmen eine Vielzahl von anderen Beteiligten und Partnern berücksichtigen. Dazu muss ein Unternehmen genau wissen, wie seine End-to-End-Lieferkette aussieht, und zwar vor- und nachgelagert. Ausserdem muss es seinen Produktfluss verstehen. Dann kann das Unternehmen mit der Bewertung, der Durchführung von Audits, der Entwicklung von Standardarbeitsanweisungen (SOPs) und der Schulung aller Mitarbeiter und externen Partner beginnen. Dazu müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten, um Handels- und Beschaffungsgrenzen zu überwinden und das Gesamtergebnis im Auge zu behalten.

Eine risikoarme Lieferkette muss auf der Grundlage gemeinsamer Anstrengungen aufgebaut werden.
Anthony Yan, Takeda Pharma

Innerhalb dieses Ökosystems aus Menschen, Infrastruktur, Prozesssystemen, Technologien und Partnern ist es wichtig, die Systemrisiken ganzheitlich zu betrachten, sie zu lokalisieren und effektiv damit umzugehen.

 

Es geht nicht um eine bestimmte einzelne Komponente, sondern um die kollektive Summe der Teile.
Brett Marshall, Zuellig Pharma

Ausblick

Die Veränderungen in der Branche sind eine Herausforderung. In den vergangenen fünf Jahren wurden in einer Branche, die sich traditionell eher schleppend vorwärts bewegt, grosse Fortschritte erreicht. Die Diskussionsteilnehmer erkennen jedoch eher Chancen als Bedrohungen. Ein Schlüssel zum Erfolg wird die integrierte Zusammenarbeit sein, denn ein Akteur allein kann die Herausforderungen, denen sich die Branche derzeit gegenübersieht, nicht bewältigen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den Behörden in den jeweiligen Ländern.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine starke Ausrichtung auf die Digitalisierung. Daten zu Temperaturkurven, Transportergebnissen, Sendungsverfolgung in Verbindung mit Serialisierung müssten idealerweise auf einer gemeinsamen Plattform bereitgestellt werden. Immer mit dem Ziel, das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

Ein transparenterer Umgang mit Stabilitätsdaten sowie die gemeinsame Nutzung derselben könnte die Freigabeprozesse erheblich verbessern. Die Einbeziehung oder Einbettung von Produktstabilitätsdaten in die Ausrüstungen selbst ist eine viel versprechende Möglichkeit, schneller erkennen und bewerten zu können, ob Abweichungen sich auf das Stabilitätsbudget auswirken - somit kann der Freigabeprozess wesentlich beschleunigt werden.

Nicht zuletzt muss all dies in den Kontext der Nachhaltigkeit und der Verringerung des CO2-Fussabdrucks gestellt werden.

 

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