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Das Lastenheft (URS): Das entscheidendes Werkzeug für exzellente Pharmaproduktion

Webinare

Von Benutzeranforderungen zum zielführenden Lastenheft (URS)


Lesen Sie hier die Zusammenfassung eines Webinars aus der GxP-Expertenreihe mit den Ansichten und Meinungen von Marisa Remsing, GxP-Validierungs-/Qualifizierungsingenieurin, ELPRO Messtechnik GmbH, Dirk Raubald, Fertigungstechniker bei Johnson & Johnsons Innovative Medicine Advanced Therapies Supply Chain EMEA und Steph Punter, GxP-Validierungs-/Qualifizierungsingenieurin, ELPRO Services, Inc.

In der stark regulierten Pharma- und Life-Science-Produktion spielen die Benutzeranforderungen (User Requirement Specification, URS), auch Lastenheft genannt, eine bedeutende Rolle für Qualität, Compliance und operative Exzellenz.

Ein Lastenheft ist im Kern ein strategischer Entwurf und beschreibt die genauen Möglichkeiten, Beschränkungen und kritischen Anforderungen eines Systems. Es hat sich im Laufe der Jahre von einer Sammlung testbarer Anforderungen zu einem umfassenden Rahmenwerk entwickelt. Es dient als vielseitiges Instrument zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, zur Rechenschaftspflicht der Anbieter und als konsistenter Bezugspunkt während des gesamten Lebenszyklus eines Projekts.

Das regulatorische Umfeld für Lastenhefte (URS) ist komplex und vielschichtig. Globale Regulierungsbehörden bieten verschiedene Perspektiven, die die kritische Natur des pharmazeutischen Systemdesigns widerspiegeln. Die Eudralex-Richtlinien der Europäischen Union betonen die Wichtigkeit, Equipment-Spezifikationen zu definieren und eine konsistente Referenz während des gesamten Validierungslebenszyklus beizubehalten. Die International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) konzentriert sich auf die Verifizierung durch strenge Tests und betont die Bedeutung einer rückverfolgbaren Qualifizierungsdokumentation. Gleichzeitig unterstreicht sie, wie wichtig die Freiheit des Entwicklers bei der Erfüllung der Anforderungen ist.

Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Sie schreibt vor, dass das Design der Geräte für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sein muss und die Anforderungen klar dokumentiert werden. Die chinesischen NMPA-Vorschriften betonen dagegen die Abstimmung von Standort-, Konstruktions- und Produktionsanforderungen und konzentrieren sich stark auf die Überprüfung der Räumlichkeiten und der Geräteinstallation. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht noch einen Schritt weiter und plädiert für eine umfassende Qualifizierung, die über papierbasierte und Installationsprüfungen hinausgeht, und empfiehlt Funktions- und Leistungsqualifizierungen, die die routinemässigen Betriebsbedingungen widerspiegeln.

Denken Sie immer daran: das Lastenheft ist ein lebendes Dokument, das mit Ihrem System eng verbunden ist. Wenn sich Ihr System ändert, ändern sich auch die Benutzeranforderungen.

Marisa Remsing, ELPRO

Damit sich Anwender in diesem komplexen regulatorischen Umfeld zurechtfinden, stellten die Referenten des Webinars eine strukturierte, vierstufige Methodik für die Entwicklung eines Lastenhefts vor, die sich in zahlreichen Pharma- und Life-Science-Unternehmen bewährt hat:

1. Zusammenstellung des Teams

Dieser erste Schritt beinhaltet die Zusammenstellung eines umfassenden Teams von Fachexperten (Subject Matter Experts, SME). Dabei geht es nicht nur darum, technisches Personal zusammenzubringen, sondern eine vielfältige Gruppe zu bilden, die idealerweise Qualitätsmanager, Betriebs- und Technikpersonal, Wartungsteams, Verfasser von Standardarbeitsanweisungen (SOP), Anwender und wichtige Interessengruppen umfasst.

Darüber hinaus ist das Aufsetzen eines formellen Genehmigungsprozesses von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass mehrere Perspektiven berücksichtigt werden und das endgültige Dokument eine ganzheitliche Sicht der Systemanforderungen darstellt.

2. Input für die Entwicklung der Benutzeranforderungen

Diese Phase erfordert ein umfassendes Verständnis der unten genannten Aspekte sowie ein tiefes technisches Verständnis und einen ganzheitlichen Blick auf den betrieblichen Kontext des gesamten Systems.

  • Behördliche Einreichungen

  • Anforderungen an die Produktlagerung

  • Stabilitätsüberlegungen

  • Kritische Qualitätsmerkmale

  • Kritische (Prozess-)Parameter

  • Über GMP/GDP hinausgehende Anforderungen

  • Standort-/Unternehmensanforderungen

3. Erarbeitung des Lastenhefts

Das Format und der Rahmen des Dokuments selbst sollten einem sorgfältig strukturierten Ansatz folgen:

  • Getrennte Kapitel für verschiedene Gewerke

  • Eine umfassende Rückverfolgbarkeitsmatrix (kann ein separates Dokument sein)

  • Klare Priorisierung der Anforderungen

  • Anwendung des SMART-Prinzips (Spezifisch, Messbar, Erreichbar, Realistisch, Testbar)

4. Resultate des Lastenhefts

Das endgültige Dokument ist ein Schlüsseldokument, das für alle folgenden Zwecke verwendet wird:

  • Detaillierte Design-Spezifikationen

  • Materialliste (Bill of Material, BOM)

  • Grundlegender Rahmen für die Lieferantenauswahl

  • Umfassende Grundlage für die Risikobewertung

  • Klarer Rahmen für Verifizierung und Tests

Bei der Definition von kritischen Parametern sollten Sie stets Werte angeben, die Sie testen können. Definieren Sie keine Anforderungen, die Sie nicht überprüfen können

Marisa Remsing, ELPRO

Die Referenten sprachen offen über die häufigsten Fallstricke, die die Entwicklung eines Lastenhefts scheitern lassen können. Dazu gehören verallgemeinerte Aussagen, der Versuch, spezifische Designdetails zu definieren, die Verwendung mehrdeutiger oder nicht prüfbarer Parameter, die Kombination mehrerer Anforderungen, die Verdoppelung von Anforderungen, die späte Vorbereitung und die schlechte Kommunikation mit den Lieferanten.

Um diesen Fallstricke zu vermeiden, empfehlen sie:

  • Genauer Verweise auf Richtlinien

  • Überlassen Sie das Design spezialisierten Fachleuten

  • Verwendung von SMART-Parameterwerten (siehe oben)

  • Bearbeitung einer Anforderung nach der anderen

  • Gründliche Prüfungen durch Fachexperten (SME)

  • Frühzeitige Einbindung der Interessengruppen in den Prozess

  • Erstellung eines lebendigen Dokuments, das an sich ändernde Anforderungen angepasst werden kann

  • Nutzung des Lastenhefts als leistungsfähiges Werkzeug für die Kommunikation mit dem Lieferanten

Dirk Raubald stellte den Ansatz von Johnson & Johnson vor, der ein beispielhaftes Modell für die Umsetzung eines Lastenhefts darstellt. Es umfasst:

  • Ein globales Qualitätsmanagementsystem

  • Spezifische Richtlinien für Anlagen, Versorgungseinrichtungen und Ausrüstung

  • Standardisierte Verfahren für die Inbetriebnahme und Qualifizierung

  • Massgeschneiderte Ansätze für verschiedene Anlagentypen

  • Eine integrierte Methodik zur Risikobewertung

Dirk Raubald erklärte ausserdem, dass belastbare Lastehefte vier Schlüsselelemente aufweisen sollten:

1. Kontext und allgemeine Informationen
  • Klarer Zweck und Umfang

  • Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten

  • Wesentliche Definitionen

2. Systemübersicht

  • High-Level-Prozessbeschreibung

  • Klare Systemgrenzen

  • Spezifikation der Schnittstellen

3. Detaillierte Anforderungen

  • Klassifizierte und nachvollziehbare Spezifikationen

  • Kritische funktionale Anforderungen

4. Unterstützende Dokumentation

  • Umfassende Referenzen

  • Verfahren des Unternehmens

  • Technische Informationen und kontextbezogene Details

Die Schlussfolgerung ist einfach, doch tiefgreifend: Ein gut entwickeltes Lastenheft geht über die reine Dokumentation hinaus. Es ist ein strategisches Instrument, das die Bedürfnisse der Nutzer, die gesetzlichen Anforderungen und die technische Umsetzung miteinander verbindet.

Ein umfassendes, zielgerichtetes Lastenheft kann die Projekteffizienz steigern und die Markteinführung von wichtigen Medikamenten und Therapien beschleunigen.

Dirk Raubald, Johnson & Johnson

Dirk Raubald betonte weiterhin, dass der Fokus auf Klarheit, Rückverfolgbarkeit und einer umfassenden Einbeziehung der Interessengruppen liegt. Auf diese Weise können Unternehmen seiner Meinung nach Benutzeranforderungen erstellen, die nicht nur Compliance gewährleisten, sondern auch die Effizienz des Projekts, der Inbetriebnahme und des Betriebs steigern und letztlich die sichere und effektive Bereitstellung wichtiger medizinischer Lösungen beschleunigen.

In einer Branche, in der Präzision über Leben und Tod entscheiden kann, ist die Spezifikation von Benutzeranforderungen mehr als nur eine Verfahrensanforderung, Sie ist ein entscheidender Weg zur pharmazeutischen Spitzenleistung, der sicherstellt, dass komplexe Systeme den höchsten Qualitäts-, Sicherheits- und Leistungsstandards entsprechen.

Die folgenden Fragen wurden während der Sitzung gestellt und von den Diskussionsteilnehmern beantwortet:

Bitte nennen Sie einige Beispiele für Benutzeranforderungen für begehbare Kühlgeräte.

A: Dirk verweist hierzu auf einen der ISPE-Leitfäden, den man auf der ISPE-Website erwerben kann. Der Leitfaden für temperaturgeregelte Räume enthält im Anhang ein vollständiges Beispiel, das speziell für einen begehbaren Kühlraum mit einer Temperatur von 2 bis 8 °C gilt. Aber natürlich können sich Interessierte auch an ELPRO wenden, wenn sie hierbei Unterstützung benötigen.

Q: Kann das Thema Lastenheft und Qualifizierung auch nachträglich abgedeckt werden, sprich, wenn das System bereits gekauft und in Betrieb ist?

A: Seit einiger Zeit unterstützen die GMP-Leitfäden keine rückwirkende Qualifizierung mehr. Daher sollten Sie in diesem Fall das Qualitätssicherungssystem und den Umgang hiermit in den Prozessen überprüfen. Zum Beispiel könnten Sie über eine Abweichung oder ein ähnliches Fahrzeug eine Lücke nachweisen und identifizieren.

So können Sie Ihren Prozessen folgen und die Kontrolle behalten. In der Regel können Sie anhand dieser Prozesse analysieren, warum es kein Lastenheft, keine Qualifikation usw. gab. Als Nächstes bestimmen Sie die Auswirkungen - was besonders wichtig ist, wenn Sie genau dieses System als Teil Ihrer Produktionsabläufe verwenden. Dann legen Sie Aktivitäten, Zeitpläne und Zuständigkeiten zur Behebung der Lücke fest und vereinbaren Massnahmen, um zu verhindern, dass sie sich wiederholt. Eine dieser Aktivitäten kann darin bestehen, ein Lastenheft für das System in seiner jetzigen Form zu erstellen und es anhand dieser zu qualifizieren. Letztendlich werden Sie in Ihrer Abweichung auch Kontrollpunkte definieren, um den gesamten Korrekturprozess unter Kontrolle zu halten und am Ende die Wirksamkeit zu bestimmen.


HINWEIS: Der Inhalt dieser Webinar-Zusammenfassung dient nur zu Informationszwecken und stellt keine professionelle Beratung dar. Die hierin geäusserten Ansichten sind die der Vortragenden und spiegeln nicht zwangsläufig die Ansichten von Johnson & Johnson wider. Obwohl alle Anstrengungen unternommen wurden, um die Richtigkeit der bereitgestellten Informationen zu gewährleisten, gibt Johnson & Johnson keine Garantien oder Zusicherungen hinsichtlich der Vollständigkeit oder Eignung der Informationen für einen bestimmten Zweck ab. Die Teilnehmer sollten eine auf ihre individuellen Umstände zugeschnittene professionelle Beratung in Anspruch nehmen.

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