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Ungenutzte Medikamente erneut abgeben: das weltweit erste sonsorgesteuerte Redispensing-Programm

Lesen Sie hier einen Auszug aus einem Interview mit Dr. Charlotte Bekker und Lisa-Marie Smale, PharmD, im Rahmen des ELPRO Leading Minds Network. Sie berichten von ihren umfangreichen Forschungsarbeiten für eine Initiative zur Wiederabgabe von Medikamenten (Redispensing) am Radboud University Medical Center, bei denen ELPRO LIBERO ITS Multilevel-Indikatoren für das Temperatur-Monitoring und die Verwaltung des Stabilitätsbudget eingesetzt werden.

 

VOLLSTÄNDIGES INTERVIEW HIER ANSEHEN

Martin Davis, Moderator:
Herzlich willkommen zu diesem Interview des Leading Minds Network powered by ELPRO. Ich freue mich, dass wir Dr. Charlotte Bekker und Lisa-Marie Smale für dieses Interview gewinnen konnten. Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Aufgabe, was Sie tun, und dann werden wir über Ihr Projekt sprechen.

Lisa-Marie Smale:
Mein Name ist Lisa-Marie Smale, ich bin Apothekerin aus den Niederlanden und untersuche die Verschwendung von Medikamenten. 2020 habe ich damit unter der Leitung von Charlotte Bekker begonnen. Wir konzentrieren uns auf teure Medikamente und darauf, wie man Verschwendung vermeiden kann, indem man unbenutzte Medikamente von guter Qualität erneut abgibt.

Charlotte Bekker:
Mein Name ist Charlotte Bekker, und ich bin von Haus aus Biomedizinerin. Ich forsche am Radboud University Medical Center, wo ich mehrere Projekte zur Abfallreduzierung, zur nachhaltigen pharmazeutischen Versorgung, zur Therapietreue und zur optimierten Dosierung teurer Medikamente leite. Heute sprechen wir über ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt: das Redispensing. Ich habe in diesem Bereich promoviert und nun haben wir ein kompetentes Forschungsteam zusammengestellt, zu dem auch Lisa-Marie gehört und das erforscht, ob teure Medikamente erneut abgegeben werden können.

Martin Davis:
Das ist ein sehr interessantes Thema. Beginnen wir damit, dass Sie uns mehr über das Projekt erzählen. Was wollten Sie erreichen, als Sie dieses Projekt ins Leben riefen?

Charlotte Bekker:
Unser Ziel ist es, die Verschwendung von Medikamenten auf Patientenebene zu reduzieren. Wir haben beobachtet, dass viele Patienten im Laufe der Behandlung die Therapie wechseln. Sie steigen auf eine andere Dosierung oder ein anderes Medikament um oder die Therapie wird vorzeitig abgebrochen. Viele Medikamente bleiben unbenutzt. In der Regel werden diese Medikamente in der Apotheke abgegeben und dort auf umweltverträgliche Weise entsorgt.
Anfangs untersuchten wir das Ausmass dieses Problems. Wir fragten uns: "Haben wir hier ein Problem?" Und was wir sahen, war, dass viele qualitativ gute Produkte verschwendet werden. Wir fragten uns: "Können wir auf ein besseres System hinarbeiten, das Medikamenten, die wir derzeit verschwenden, in Zukunft einen neuen Nutzen geben könnte? Könnten wir sie über die Apotheken neuen Patienten zukommen lassen?" Und so haben wir dieses Projekt ins Leben gerufen.

Lisa-Marie Smale:
Der wichtigste und innovativste Teil unseres Projekts ist dabei, dass wir die Qualität der Medikamente vor der erneuten Abgabe sicherstellen. Zu diesem Zweck haben wir in den Apotheken ein spezielles Qualitätskontrollverfahren eingeführt.

Martin Davis:
Können Sie uns diesen Prozess beschreiben?

Lisa-Marie Smale: ((INSERT VIDEO--VIDEO VO BELOW))
Um die Qualität von ungenutzten Medikamenten bei der Rückgabe bewerten zu können, geben wir die Medikamente auf eine besondere Weise an die Erstpatienten ab. Wir packen die Medikamente in einen speziellen Beutel, der einen Patientenflyer mit Informationen enthält. Ausserdem legen wir einen LIBERO ITS Temperaturindikator dazu. Dieser Indikator kann ganz einfach aktiviert werden, indem das Etikett aufgebrochen wird. Anschliessend versiegeln wir den Beutel mit einem speziellen Siegel, das jeden Öffnungsversuch anzeigt und so eine Manipulation des Medikaments verhindert.
Der Patientenflyer enthält wichtige Informationen, zum Beispiel, dass die Patienten den versiegelten Beutel erst öffnen dürfen, wenn sie das Medikament einnehmen. Bei der Rückgabe überprüft der Apotheker die Qualität des Medikaments anhand von drei Qualitätskriterien. Der versiegelte Beutel muss erstens ungeöffnet sein. Zweitens muss das Medikament eine Restlaufzeit von mindestens sechs Monaten haben. Und schliesslich überprüft er mit dem Temperaturindikator, ob das Medikament entsprechend den Angaben auf dem Produktetikett gelagert wurde.
Sind alle diese Qualitätskriterien erfüllt, können wir das Medikament – anstatt es wegzuwerfen – an einen anderen Patienten abgeben, der an dem Programm teilnimmt und das gleiche Rezept benötigt.

Martin Davis:
Erzählen Sie mir ein wenig mehr über Ihre Beweggründe. Warum haben Sie sich entschieden, dieses spezielle Projekt durchzuführen?

Charlotte Bekker:
Das "Warum" ergab sich aus den Untersuchungen, die wir vorab durchführten. Wir arbeiten seit sieben Jahren an diesem Thema und haben festgestellt, dass wir allein in den Niederlanden jedes Jahr Medikamente für den Eigengebrauch im Wert von über 100 Millionen Euro entsorgen. Dies führt zu einem enormen finanziellen Verlust, und wir haben es mit begrenzten Gesundheitsbudgets zu tun. Wir müssen also darüber nachdenken, wo wir Geld sparen können, aber auch, was wir für den Umweltschutz tun können. Das sind zwei Bereiche, in denen wir hoffen, einen Nutzen zu erzielen. Einerseits reduzieren wir die Verschwendung von Medikamenten, was zu Kosteneinsparungen führt. Andererseits können wir die Umweltverschmutzung verringern, weil diese Medikamente nicht mehr entsorgt werden müssen.

Lisa-Marie Smale:
Die Belastung der Umwelt resultiert vor allem aus der unsachgemässen Entsorgung von Medikamenten. Den Menschen ist oftmals nicht bewusst, dass Medikamente als chemischer Abfall entsorgt werden müssen. Oft landen sie im Hausmüll oder gelangen über den Abfluss oder die Toilette ins Abwasser. Das verschmutzt direkt die Umwelt und führt zu grossen Störungen in den Ökosystemen. Ausserdem verursacht die Herstellung ungenutzter Medikamente CO2-Emissionen, so dass wir auch hier einen positiven Einfluss nehmen können. Aus diesem Grund wurde dieses Projekt ins Leben gerufen.

Martin Davis:
Wie konnten Sie die notwendige Unterstützung für das Projekt gewinnen?

Charlotte Bekker:
In den letzten Jahren haben wir viele Diskussionen geführt. Denn Unterstützung umfasst nicht nur die Finanzierung. Der Erfolg des Projekts hängt auch von der Unterstützung der Patienten und der Interessengruppen ab. Weltweit sind wir die ersten, die den Prozess der Wiederabgabe von Medikamenten im Rahmen der regulären Patientenversorgung evaluieren. Einige existierende Programme auf Spendenbasis sammeln zum Beispiel unbenutzte Medikamente von Gesundheitseinrichtungen ein. Sie geben sie jedoch an Menschen ab, die sich die normale Gesundheitsversorgung nicht leisten können. Auch an nicht krankenversicherte Menschen. 

Wir sind weltweit das erste Forschungsprojekt, bei dem der Prozess der Wiederabgabe von Medikamenten im Rahmen der regulären Patientenversorgung evaluiert wird.

Dr. Charlotte Bekker

In den Niederlanden beziehen wir es in die reguläre Versorgung mit ein. Wir holen es bei den Patienten zu Hause ab, geben es in die Apotheken und von dort an einen anderen Patienten, der zu Hause lebt. Dank der Qualitätskontrolle ist es eine recht einfache Lösung, die jedoch vor allem wegen Qualitätsbedenken noch nirgends bewertet oder umgesetzt wurde. Die Patientenperspektive spielt in diesem Prozess eine grosse Rolle. Der Patient muss die auf diese Weise verordneten Medikamente akzeptieren. Er muss dem Medikament vertrauen.

Charlotte Bekker:
Die Unterstützung durch den Patienten ist enorm wichtig. Darüber hinaus brauchten wir auch die Unterstützung des Gesundheitsdienstleisters. Ist der Apotheker beispielsweise bereit, die Qualität der zurückgegebenen Produkte zu garantieren? Ist das auf nationaler Ebene machbar? Können wir auf die Unterstützung des Gesundheitsministeriums, der Krankenkassen usw. zählen? Alle Beteiligten der pharmazeutischen Versorgungskette sind in irgendeiner Weise involviert und müssen diese Idee unterstützen.
Wir haben viele Gespräche geführt und auch viel recherchiert, um die unterschiedlichen Ansichten, Bedenken und Vorlieben herauszufinden und so das Programm zu optimieren. Auf der Grundlage der gesammelten Daten konnten wir schliesslich eine Finanzierung für das grössere Projekt erhalten, bei dem wir das Temperatur-Monitoringsystem einsetzen. Das Programm ist Teil der regulären Versorgung.

Martin Davis:
Was für eine Leistung, all diese Akteure einzubinden! Ich bin sicher, dass es auf dem Weg dorthin Herausforderungen gab. Können Sie uns von einigen dieser Herausforderungen berichten?

Lisa-Marie Smale:
Wir waren ziemlich überrascht, dass alle Beteiligten sofort bereit waren, sich zusammen mit uns Gedanken zu machen. Aber die Verschwendung von Medikamenten ist für fast alle ein grosses Ärgernis. Hier waren die Herausforderungen nicht so gross. Wohl aber gab es einige operative Schwierigkeiten. Den grössten Nachteil stellen die politischen Vorschriften in den Niederlanden dar. Wir befolgen europäisches Recht, zu dem auch die EU FMD Richtlinie gehört. Diese Richtlinie verhindert durch Kennzeichnung und Rückverfolgung von Medikamente, dass Fälschungen in die pharmazeutischen Lieferkette gelangen.
Wir nehmen das Medikament aus der Lieferkette heraus, wenn wir es vom ersten Patienten zurückbekommen. Und wenn wir es an einen zweiten Patienten abgeben, müssen wir es wieder in die Lieferkette einfügen. Und genau hier gibt es Überschneidungen mit der EU FMD Richtlinie. Das war also eine ziemliche Herausforderung für uns.

Charlotte Bekker:
Wir müssen unsere Sorgfaltspflicht auf der operativen, logistischen Ebene erfüllen. Daran haben wir in den letzten sieben Jahren gearbeitet. Am Anfang habe ich auf internationaler Ebene ziemlich viel Widerstand erlebt, wenn es um die Frage ging, ob andere Länder offen für diese Idee wären, ob sie diese als Teil der regulären Versorgen implementieren würden. Die Niederlande sind offen für Innovationen und für unkonventionelle Denkweisen. Und in den letzten Jahren ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für uns geworden. Es ist viel in Bewegung, und wir sehen viele Veränderungen im Bewusstsein und im Verhalten.
Diese Entwicklung war sehr gut für uns. Sie hat es uns ermöglicht, dieses Projekt höher aufzuhängen. Auf internationaler Ebene, denke ich, kann man viel von uns lernen, und ich hoffe, dass auch andere Länder unserer Initiative folgen werden.

Martin Davis:
Und die logistischen Herausforderungen? Erzählen Sie uns mehr über die europäischen Vorschriften, Qualitätskriterien und weitere Themen. Bezüglich der EU FMD Richtlinie haben wir uns an die politischen Entscheidungsträger in den Niederlanden gewandt. Wir haben mit allen Beteiligten und dem Vorstand des Radboud University Medical Center zusammengearbeitet. Das hat uns sehr geholfen. Wir haben mit politischen Entscheidungsträgern, Kostenträgern, der Pharmaindustrie, aber auch mit Berufsverbänden gesprochen. Natürlich waren wir als die Forschenden in diesem Gremium vertreten und konnten so viele der Probleme, mit denen wir konfrontiert waren, gemeinsam diskutiert. Durch die Zusammenarbeit mit der niederländischen Regierung konnten wir für unser Forschungsprojekt eine Ausnahme von der EU FMD Richtlinie erwirken. Wir untersuchen immer noch die Möglichkeiten, die wir haben und wie wir nach Beendigung der Untersuchung mit der regulären Versorgung fortfahren können. Es ist also ein laufender Prozess. Dieses Gremium war auch an der Entwicklung der Qualitätskriterien beteiligt, aber dazu kann Charlotte etwas mehr sagen.

Charlotte Bekker:
Bei den Qualitätskriterien bestand anfangs die grösste Herausforderung darin, die Qualität der Medikamente zu gewährleisten, die die Patienten zu Hause aufbewahrt hatten. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass viele Länder die Wiederabgabe unbenutzter Medikamente nicht zulassen. Einer der wichtigsten Faktoren ist die Lagertemperatur. Wir haben viele Gespräche mit Fachleuten aus dem Gesundheitswesen geführt, um herauszufinden, wie wir die Einhaltung der korrekten Lagertemperatur garantieren können. Mit den richtigen Temperatur-Monitoringgeräten, wie beispielsweise dem ELPRO LIBERO ITS, können wir die Lagerbedingungen leicht überwachen und so feststellen, ob wir das Medikament zurücknehmen und an einen anderen Patienten abgeben können.

 

Mit der richtigen Temperatur-Monitoringlösung, wie beispielsweise dem ELPRO LIBERO ITS, können wir die Lagerbedingungen leicht überwachen.
Dr. Charlotte Bekker

Wir wollten dies auf möglichst bequeme Weise tun. Derzeit führen wir ein gross angelegtes Projekt in der onkologischen Versorgung durch. Allein in unserem Krankenhaus haben wir etwa 1‘500 Patienten. Dieses Projekt läuft in mehreren Krankenhäusern. Insgesamt nehmen etwa 1‘000 Patienten zwölf Monate lang an unserer Studie teil. Im Durchschnitt erhalten die Patienten jeden Monat eine neue Medikamentenpackung. Deshalb brauchen wir eine Menge Temperatur-Monitoring-Geräte. Sie müssen günstig sein, aber sie müssen uns die Garantie geben, dass wir die Lagerqualität und die Lagertemperatur sicher überwachen können.
Wir haben sowohl Einweg-Temperaturmessgeräte als auch wiederverwendbare Geräten in Betracht gezogen. Einerseits wussten wir, dass es aufwändig ist, diese Temperaturmessgeräte in die Apotheke zurückzubringen. Andererseits wollten wir unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit den Abfalls verringern und nicht durch Einweggeräte noch mehr Abfall verursachen.

Martin Davis:
Sprechen wir über die Vorgehensweise bei der Suche nach einer Lösung. Sie erzählten von Ihrer Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium und von einigen der Herausforderungen, denen Sie sich in Bezug auf Ihre Kriterien stellen mussten.

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Lisa-Marie Smale:
Zwei operative Herausforderungen möchten ich hervorheben. Nicht alle Patienten nehmen an unserem Redispensing-Programm teil. Wir müssen also mit einem "doppelten Lagerbestand" arbeiten, und das war eine ziemliche logistische Herausforderung. Wir baten die Patienten, ihre Zustimmung zur Teilnahme am Programm zu geben. Und etwa die Hälfte dieser Patienten beteiligte sich daran. Nur diese Patienten können die wieder abgegebenen Medikamente erhalten und für sie muss ein separates Ausgabeverfahren und ein separates (Medikamenten-) Lager eingerichtet werden. Daher benötigten wir ein zweites Verwaltungssystem. Eine weitere grosse Herausforderung für die Apotheken besteht darin, dass sie nicht von der Wiederabgabe von Medikamenten profitieren wollen. Wenn sie also ein bereits bezahltes Medikament erneut abgeben, erstatten sie der Organisation, die das Medikament ursprünglich bezahlt hat, das Geld zurück. Das kann allerdings sehr kompliziert werden.

Charlotte Bekker:
Was die Frage nach der Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministeriums betrifft, so nahmen deren Vertreter zu Beginn eher eine beobachtende Haltung ein. Im Laufe der Zeit, als wir mehr Anhaltspunkte für unsere Idee vorlegen konnte, wurden sie aktiver, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Sie diskutierten es während der Parlamentssitzungen, und haben uns bei den rechtlichen Hindernissen aufgrund des europäischen Rechts geholfen. Sie haben uns erlaubt, an diesem Forschungsprojekt weiterzuarbeiten, um noch mehr Belege für die Machbarkeit liefern zu können. Manchmal muss man über den Tellerrand hinausschauen und auch unübliche Wege gehen. So entstehen Innovationen und neue Prozesse. Wir hatten grosses Glück, dass sie uns diese Möglichkeit gaben, auf nationaler Ebene daran zu arbeiten, wohl wissend, dass wir mit dieser europäischen rechtlichen Barriere konfrontiert sind. Denn sie wissen auch, dass wir das Problem der Arzneimittelverschwendung angehen und die Gesundheitsversorgung nachhaltiger gestalten müssen.

Martin Davis:
Wie sah der Zeitplan für dieses Projekt aus? Fand es während der Covid-19-Pandemie statt?

Lisa-Marie Smale:
Ja, wir haben dieses Projekt Anfang 2021 gestartet, somit waren die Einschränkungen noch in Kraft.

Martin Davis:
Gab es in dieser Hinsicht besondere Herausforderungen bei der Durchführung der Studie, oder mussten Sie lediglich das Sicherheitsprotokoll befolgen, das Ihr Land eingeführt hat?

Lisa-Marie Smale:
Wir haben uns an alle Covid-19-Auflagen gehalten. Aber es war schwieriger, die angestrebte Anzahl von Patienten einzubeziehen. Obwohl die onkologische Versorgung wie geplant ablief, waren es dennoch weniger als zuvor. Das war ein Nachteil, und aus diesem Grund nehmen wir im Moment noch Patienten auf. Für uns sind die Patienten der Schlüssel. Damit ein Redispensing-Programm funktioniert, müssen sie bereit sein, daran teilzunehmen. Deshalb haben wir uns intensiv um die Unterstützung der Patienten bemüht, mit Patientenvertretern zusammengearbeitet, Krebspatienten über ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Redispensing-Programm befragt und alle zugrunde liegenden Faktoren ermittelt. Das hat uns dabei geholfen, unsere Programme so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Patienten gerecht werden.

Martin Davis:
Gab es Vorbehalte bei den Patienten, oder waren die meisten bereit, an dem Projekt teilzunehmen?

Lisa-Marie Smale:
Die Patienten waren sehr motiviert, sich an dem Projekt zu beteiligen. Sie sehen ja, dass die onkologische Versorgung sehr teuer ist. Ausserdem wollten sie ein nachhaltigeres System in Bezug auf Kosten und Umwelt unterstützen. Sie legten selbstverständlich Wert auf eine hohe Qualität ihrer Medikamente, was bei einer Krebserkrankung sehr sinnvoll ist. Das Redispensing-Programm darf die Qualität der Medikamente nicht verändern. Deshalb waren die Qualitätsvorgaben für uns sehr wichtig.

Martin Davis:
Lassen Sie uns speziell über das Temperatur-Monitoringgerät sprechen, das Sie verwendet haben, den LIBERO ITS. Der Multilevel-Indikator hat Sie beim Temperatur-Monitoring, bei der Verwaltung des Stabilitätsbudgets und der Berichterstellung unterstützt. Können Sie das näher erläutern?

Lisa-Marie Smale:
Die von uns verwendeten Medikamente sind in Blistern verpackt. Sie sind also bereits vor Licht- und Feuchtigkeitseinflüssen geschützt. Deshalb brauchten wir eine Lösung, um die Temperatur zu überprüfen, bei der sie gelagert wurden. Wir nehmen nur Medikamente in unsere Studien auf, die bei Raumtemperatur gelagert werden müssen. Normalerweise stellt die Lagerung kein Problem dar, aber natürlich müssen wir die Qualität garantieren, wie ich bereits erklärt habe. Deshalb brauchten wir ein Temperatur-Monitoringgerät. Wir haben uns aus mehreren Gründen für den ELPRO LIBERO ITS entschieden. Erstens ist er recht klein, leicht und praktisch für die Patienten, weil sie ihn nicht mit sich herumtragen müssen. Zweitens sind die Auslesemöglichkeiten sehr einfach. Man drückt einen Knopf und ein Licht blinkt entweder grün oder orange. In der Apothekenpraxis können wir also einfach und ohne grossen Zeitaufwand die Temperaturanzeigen ablesen.
Für unsere Forschung können wir auf eine vollständige Auswertung zugreifen, die uns Informationen über die Maximal-/Minimaltemperatur liefert. Und auch darüber, wie lange das Medikament innerhalb bestimmter Temperaturen gelagert wurde. Das kann für unsere Forschung sehr interessant sein. Es ist auch spannend zu sehen, wie die Patienten ihre Medikamente aufbewahren. Das war also ein grosser Vorteil. Und schliesslich beträgt die Batterielebensdauer des ELPRO LIBERO ITS vier Jahre. Das ermöglicht die Reduzierung des Abfalls durch die Wiederverwendung des Temperaturmessgeräts, falls möglich. Das ist ein wichtiger Aspekt für uns, denn wir wollen so nachhaltig wie möglich sein.

Charlotte Bekker:
Wir haben uns viele Geräte angeschaut, um festzustellen, ob sie unsere Anforderungen erfüllen. Wir wollten ein Gerät haben, das bereits validiert war. Wir sahen viele Geräte, die in Gebrauch waren oder entwickelt wurden, die aber keinen vollständigen Validierungsbericht vorlegen konnten. Da es um die Patientensicherheit ging, wollten wir die Gewissheit haben, dass das Gerät validiert ist und tatsächlich genau das misst, was es zu messen beabsichtigt. Bei ELPRO waren wir uns aufgrund ihrer Erfahrung und aller von ihnen angebotenen Produkte ziemlich sicher, dass wir die Daten und die Berichte, die sie zur Verfügung stellen konnten, erhalten würden. Das Gerät hat uns überzeugt.

Lisa-Marie Smale:
Da ELPRO die Kalibrierungszertifikate zur Verfügung stellen konnte, brauchten wir die Temperaturanzeigen nicht zu validieren. Wir haben lediglich kleine Experimente durchgeführt, bei denen wir die Datenlogger unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt haben, um ihre Verwendung zu validieren, und das hat wirklich gut funktioniert. Seit Anfang 2021 setzen wir sie nun für Patienten ein.

Martin Davis:
Wir haben über die Herausforderungen, die Prozesse und die Verfahren gesprochen, die Sie durchlaufen mussten, um Ihre Forschung auf den Weg zu bringen. Lassen Sie uns nun über die Ergebnisse sprechen. Können Sie einige davon quantifizieren?

Lisa-Marie Smale:
Gerne. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass das Radboud University Medical Center nicht das einzige teilnehmende Krankenhaus ist. Wir haben insgesamt vier niederländische Krankenhäuser, die an diesem Projekt partizipieren. Im Moment sind fast 1‘000 Krebspatienten in das Redispensing-Programm einbezogen. Jede Woche sparen wir mehr und mehr zurückgegebene Medikamente ein – manchmal sogar bis zu zehn Packungen pro Woche. Jede dieser Packung ist im Durchschnitt etwa 3‘000 Euro wert. Das ist eine ganze Menge Geld. Das teuerste Medikamentenpaket hatte einen Wert von 14‘000 Euro. Wir waren froh, dass wir die Qualität dieser Packung bestätigen konnten und es nicht entsorgen mussten. Wir untersuchen die Kosteneinsparungen, die wir erzielen können, und haben uns zum Ziel gesetzt, in diesem Projekt Medikamente im Wert von 500‘000 Euro wiederzuverwenden. Und wir haben fast die Hälfte geschafft. Das ist also bereits eine beachtliche Leistung!

Martin Davis:
Das ist ein grossartiges Ergebnis! Und wie sehen Ihre Pläne nach Abschluss der Studie aus?

Lisa-Marie Smale:
Wenn die Wiederabgabe von Medikamenten in der onkologischen Versorgung erfolgreich ist, sollte Redispensing unserer Meinung nach zum Standard werden. Aus diesem Grund arbeiten wir mit allen Beteiligten vor Ort zusammen. Wir hoffen, dass die Kosteneinsparungen, die wir im Rahmen dieses Projekts erzielen können, den politischen Entscheidungsträgern einen Anreiz bieten, über dieses Thema nachzudenken und es in das derzeitige Gesundheitssystem zu integrieren. Um diesen Prozess zu beschleunigen, sollten wir nicht nur auf Kosteneinsparungen achten, sondern auch auf den ökologischen Fussabdruck.
Wir untersuchen auch, wie wir Redispensing für das gesamte Land realisieren können. Und danach vielleicht für die ganze Welt?

Martin Davis:
Diese Studie umfasste in erster Linie Krebsmedikamente. Betrachten Sie auch andere Arten von Medikamenten oder andere Gruppen von Medikamenten?

Charlotte Bekker:
Zurzeit nicht. Wir haben uns für Krebspatienten entschieden, da es sich um eine ziemlich grosse Patientengruppe handelt. Bei ihnen wird die Behandlung häufig gewechselt, wenn zum Beispiel Nebenwirkungen auftreten oder das Medikament nicht wie gewünscht anschlägt. Wenn sie auf ein anderes Medikament umsteigen, bleibt das alte Medikament unbenutzt. Es entsteht viel Abfall, und die Medikamente sind teuer. Wir sehen das als eine Proof-of-Concept-Studie. Wenn wir in diesem Feld die Vorteile aufzeigen, hoffen wir, dass wir es für jede teure Arzneimitteltherapie einsetzen können. Wir sind zwar noch nicht so weit, aber noch besser wäre es, wenn wir es auch für preiswertere Medikamente einsetzen können. Dort ist das Volumen der Medikamentenabfälle erheblich.
Es wäre grossartig, wenn wir Redispensing nicht nur für die teuren Therapien, sondern auch für lokale Therapien umsetzen könnten. Hoffentlich können wir es in ein, zwei Jahren für die teuren Therapien einführen und dann vielleicht in fünf oder 10 Jahren für die lokalen Therapien. So würde es zu einer üblichen Praxis, genauso wie man seine Batterien zur ordnungsgemässen Entsorgung zurückgibt. Die zurückgegebenen Medikamente, die noch von guter Qualität sind, könnten dann an einen anderen Patienten abgegeben werden.

Martin Davis:
Haben Sie Empfehlungen für andere, die ähnliche Studien durchführen oder das Thema weiter untersuchen möchten? Die Patienten und die Einbeziehung aller Beteiligten zu Beginn waren der Schlüssel zum Prozess. Wie wichtig ist es, dass alle Beteiligten mitmachen?

Charlotte Bekker:
Ich halte es für sehr wichtig, dass Sie alle Beteiligten in Ihrem Prozess kennenlernen. Binden Sie sie in eine Arbeitsgruppe ein. Wenn es nicht auf Anhieb gelingt, denken Sie weiter über nachhaltige Lösungen nach und darüber, was Sie tun können. Fangen Sie klein an, vielleicht nur lokal in Ihrem Krankenhaus oder auf Ihrer Station oder Abteilung, und finden Sie dort Unterstützer. Dann können Sie Ihre Gruppe ausbauen und sehen, ob Sie vielleicht nationale Akteure wie die Gesundheitsbehörden gewinnen können. Es gibt verschiedene Strategien. Machen Sie einfach weiter. Wenn Sie von Anfang an die Idee glauben, werden Sie es schaffen.

Lisa-Marie Smale:
Ich kann Charlotte nur beipflichten. Wenn man eine Vision hat - und die haben wir -, dann sollte man ihr folgen, und wir glauben, dass kein Medikament von guter Qualität verschwendet werden sollte.

Martin Davis:
Vielen Dank für dieses Interview und dass Sie sich dafür Zeit genommen haben. Sie nehmen offensichtlich grossen Einfluss auf das Leben vieler Menschen, indem Sie eine erschwingliche Gesundheitsversorgung möglich und Medikamente wirksamer und erschwinglicher machen. Ich wünsche Ihnen beiden alles Gute für Ihre zukünftigen Vorhaben in diesem Bereich.

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